Freitag, 9. März 2012

Wer die Musik bestellt

Foro: Rainer Sturm/www.pixelio.de
Wer die Musik bestellt, der bestimmt auch, was sie spielt - sollte man meinen. Doch erstaunlich oft ist es anders - und kann zu grotesken Folgen führen.

Eine katholische Kirchengemeinde im Bonner Raum spielt im Jahr 2006 mit dem Gedanken, die Trägerschaft ihrer Kindertagesstätten abzugeben. Grund: Das Bistum habe kein Geld mehr. Die betroffene Stadt macht mit der Gemeinde einen - darf man sagen? - Handel: Sie übernimmnt selbst den vollen Eigenanteil des kirchlichen Trägers in Höhe der Gesamtkosten von 12%. Das ist für sie offensichtlich immer noch günstiger, als wenn sie die Kindergärten in eigener Regie führen müsste, weil dann der volle Eigenanteil von 21% zu zahlen wäre. Entsprechend weniger andere öffentliche Zuschüsse zur Refinanzierung würden fällig. Trägerin bleibt also weiterhin die Kirche, obwohl sie zu den Kosten erst einmal nichts beiträgt. Ein offensichtlich durchaus übliches Vorgehen auch anderswo angesichts von Kirchen angemeldeten eigenen leeren Kassen. Daraus folgt dann: Selbstverständlich sind die MitarbeiterInnen weiterhin kirchliche Angestellte. Und für die gilt beispielsweise auch das kirchliche Arbeitsrecht mit den entsprechenden Folgen weiter - zum Beispiel, wenn sich ein Mitarbeiterin und ihr Mann trennen und sie bald darauf eine neue Beziehung eingeht. Da gilt dann eine zehn Jahre dauernde offensichtlich überzeugende Dienstzeit nullkommanix mehr, und die üblichen Verweise auf die Arbeitgeberin (Tendenzbetrieb, Sie verstehen...!) werden aus der Tasche gezogen. Und was macht der, der alles bezahlt? Nix.

Viele kluge Gedanken sind zum biblischen, zum neutestamentlichen Verständnis der Ehescheidung gesagt worden. Auch über den unklugen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und theologisch durchaus geboten anderen Perspektiven in der römisch-katholischen Kirche - gerade wieder in jüngster Zeit. Manches wäre zu dem desaströsen und im letzten auch zukunftslosen Bild zu sagen, das eine Kirche abgibt, wenn sie die Lebenswelt der Menschen, in der sie selbst ein wichtiger Teil ist und deren Bedürfnisse schlichtweg ignoriert. Es gibt eine Kirche, die ist vom lieben Gott - und es gibt eine Kirche, die ist vom Teufel.

Zu sagen ist aber etwas zu einem merkwürdigen Verständnis von Steuergeld. Muss man Kirchenverantwortliche daran erinnern, dass auch normale Steuergelder Gemeinschaftsgelder sind? Und dass Kirchen auch (oder sollte man besser sagen: vor allem) für sie eine Verantwortung haben, was bedeutet: Nicht zunächst oder ausschließlich an das Wohlergehen der eigenen Kassen zu denken. Der reiche Kornbauer winkt da im Hintergrund. Oder etwa nicht? Es ist vielleicht schlau, bei einem Geschäft mitzumachen, bei dem man als Kirche keinerlei finanzielle Lasten trägt, aber sich den ganzen inhaltlichen Einfluss sichert. Aber ist es auch redlich? Vor allem dann, wenn der kirchliche Einfluss in einem quasi städtischen Kindergarten wie im Beispiel gezeigt zu solchen - sagen wir ruhig: grotesken - Folgen führt?

Beispiele wie diese zeigen dringlich: Es müsste in der Kirche wohl eher nicht um Entweltlichung gehen, sondern um eine überzeugende Weltverantwortung, eine Verantwortung der Kirchen für das Gemeinwesen - zum Beispiel in einer Stadt. Um den Dienst am Gemeinwesen. Aber vermutlich ist das eine zu naive Sicht. Und die Kommunen sind zu fragen, warum um Himmels Willen sie sich auf solche deals einlassen - im Bewusstsein, es können derlei absurde Situationen entstehen wie in dem geschilderten Fall: Die Stadt bestellt die Musik - verzichtet aber darauf zu bestimmen, was gespielt wird. Was hat sie davon?

Und schon sind wir beim Staat-Kirche-Verhältnis angelangt. Hermann Horstkotte bilanziert in der "Zeit": "Freie Wohlfahrtsträger wie die Kirchen werden in Grundsatzreden gern als Ausdruck einer funktionierenden Zivilgesellschaft gefeiert, als selbst gesteuert und staatsfern – in Wirklichkeit geht es oft um kaufmännische Bilanzen und Bilanztricks." Im Blick auf Beispiele wie dieses muss man beschämt sagen: Da hat er wohl recht.

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