Mittwoch, 19. Dezember 2012

Berufen

Foto: Thomas Max Müller/pixelio.de
An der Zahl von Priestern, so sagte vor wenigen Tagen Papst Benedikt XVI. in seiner Botschaft zum Welttag der geistlichen Berufungen, an dieser Zahl hänge nicht nur die Zukunft der christlichen Gemeinschaft, sondern sie sei auch ein Zeugnis für die geistige Gesundheit der Diözesen, Pfarreien und Familien. Zweierlei können wir diesem Satz entnehmen: Erstens scheint der Papst die folgende Prüfungsfrage zu kennen, die katholische Theologiestudierende an der Universität Bonn gelegentlich zu beantworten haben, wie wir hören. Sie lautet nämlich dem Hörensagen nach sinngemäß: "Wir stellen uns folgendes Szenario vor: Ein geheimnisvoller Virus rafft alle katholischen Priester dahin. Was geschieht dann mit der Kirche?" Wer jetzt nicht sofort drauf kommt - der Papst soll ja jetzt über Twitter erreichbar sein. Das zweite, was uns sehr nachdenklich macht, ist das mit der geistigen Gesundheit, die offensichtlich im Hinblick auf die Priesterberufungen kein Anlass für vollumfängliche Zufriedenheit ist: Nicht in den Diözesen, nicht in den Pfarreien, auch nicht in den Familien. Uns kommen dabei gerade Onkel Robert und Tante Hedi mit ihren drei Töchtern in den Sinn... Bedauerlich, das.

Umso zuversichtlicher stimmt uns aber im Moment, dass es um die geistige Gesundheit des deutschen Fernsehens offensichtlich weitaus besser bestellt ist, als wir ehrlich gesagt bislang vermuteten. Zumindest um die geistige Gesundheit des Eurovision Song Contest, also, zumindest des deutschen Vorentscheids. Denn ausgrerchnet dorthin wurden unlängst drei Priester, ja, wir dürfen ruhig sagen: berufen. Sie treten am 14. Februar als sie selbst, also "Die Priester" an, ergänzt durch die Sopranistin Mojica Erdmann. Und sie hoffen trotz erklärter Zeitnot auf viele Stimmen für ihre Interpretation von "Ave Maris Stella". Wobei auch an diesem Lied bereits wieder herumgekrittelt wird: Es sei ja gar keine Neukomposition, sagt man, sondern schon 1100 Jahre alt - und damit kenne es ja jeder. Also wir müssen jedenfalls zugeben, dass wir es bislang eher nicht kannten. "Eine echte Überraschung", findet jedenfalls der ausrichtende NDR. "Der Bandname will keine Metapher sein, kein Künstler-Pseudonym und auch kein säkularer Zynismus." Die drei Bandmitglieder seien von Berufs wegen Priester.
 
Wir hoffen nun nicht, dass diese Berufung taktischer Natur war. Denn auch in der Schweiz sind die Stimmgabeln bereits gefallen. Und ehrlich gesagt waren wir nicht wenig überrascht, als wir hörten, dass im Land der Nummernkonten - ja, genau! - ausgerechnet die Heilsarmee das Rennen gemacht hat. Nicht diese Truppe hier, sondern diese hier rund um den 94jährigen Kontrabassisten Emil Ramsauer. Allerdings werden sie, wie wir hören, im Wettbewerb auf ihre Uniformen verzichten müssen, weil diese womöglich den strengen Kriterien des ESC (keine Politik! keine kommerziellen Botschaften!) nicht entsprechen. Wobei wir mit dem Blick auf die deutschen Bewerber inständig hoffen, dass die ESC-Schiedsrichter Soutane und Habit nicht als Uniformen werten.

"Musik ist die Sehnsucht eines schmerzgeplagten Gottes", das soll der englische Dichter John Keats gesagt haben, wie wir gerade hören. Wir denken angesichts dieser und anderer Berufungen zum ESC darüber nach, dass Musik gelegentlich nicht nur Schmerzen lindert, sondern durchaus auch Schmerzen verursacht. Von daher begrüßen wir ausdrücklich, dass Priester und die Heilsarmee beim ESC zugegen sind. Und falls die Österreicher wegen der Coups der Deutschen und der Schweizer nervös werden: Habt keine Angst! Ein Topfavorit mit einem Toptitel lebt auch hinter euren sieben Bergen. Ihr müsst ihn nur noch berufen.

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